Samstag, 7. Januar 2012

Wie berechnet den Wert einer Erbpacht Immobilie?

Ich habe bereits einmal einen Artikel bezüglich der extrem überteuerten Erbpacht Wohnungen in der Jahnstrasse in München berichtet. Heute habe ich ein Angebot bei Immobilienscout weitergeleitet bekommen, mit der Bitte um eine Evaluierung.

Die Kerndaten der Wohnung lauten:


Kaufpreis: 365.000,00 EUR
Zimmer: 5,00
Wohnfläche ca.: 87,00 m²
Lage: Gute Lage in Thalkirchen

Haken: Erbpacht auf 150 Jahre + Nebenkosten 500 Euro

Auf den ersten Blick wäre die Wohnung ein super Angebot - wäre da nicht der Haken mit der Erbpacht.

Schätzungsweise 50% des Wohnungswerts bei Immobilien in München mindestens der Grundstückspreis. Am Marienplatz oder Viktualienmarkt würde ich teilweise sogar 80% ansetzen, da dort der Quadratmeter 50,000 Euro kostet und meist nicht viel Platz für Grünflächen verwendet wird - auch gibt es oft nicht viele Stockwerke und teilweise haben Mehrfamilienhäuser auch nur 4 oder 5 Stockwerke. Aber auch im Rodenstockgarten - wo man fast eine Millionen für 150 Quadratmeter zahlt, ist der Grundstücksanteil relativ gering, und da die Herstellungskosten bei maximal 2,000 Euro / Quadratmeter liegen, ist hier wirklich fast nur das Grundstück etwas wert. Steuerlich gesehen ist auf lange Sicht die Immobilie ohne Grundstücks nichts wert, da sie irgendwann den Buchwert von 0 Euro hat und abgeschrieben ist.

Wichtig bei der Betrachtung ist der Zeitraum: Auf 150 Jahre betrachtet verliert eine Erbpacht Immobilie natürlich definitiv in Vergleich zu einer richtigen Immobilie - denn nach Ablauf der Erbpacht kann der Grundstücksbesitzer die Immobilie zu 50% vom Marktpreis erwerben - und damit verliert die Erbpacht Immobilie in 150 Jahren 50% des Werts (zu diesem Zeitpunkt). Wie hoch der Wert ist hängt vom dem Zustand der Immobile in 150 Jahren ab - im Worst Case garnichts da die Immobilie wohlwissend. dass die Erbpacht ausläuft, in den letzten 50 Jahren heruntergewirtschaftt wird und es danach zum Abriß kommt. Bei dieser speziellen Immobilie in Thalkirchen aus dem Jahre 2001 ist es ziemlich sicher, dass es niemals unter Denkmalschutz stehen wird und möglichweise sogar schon in 50 Jahren wieder abgerissen wird, da das Grundstück dann zu teuer / zu schade für so ein (bis dahin) hässliches Gebäude sein wird.

Eine solche Erbpacht Immobilie lohnt sich eigentlich nur zum Vermieten, wenn man noch weit vor Ende der Erbpacht die Wohnung wieder verkauft. Aber selbst dann gilt: Erbpacht Immobilien wird man nur sehr schwer los - auch wenn dies in London oder anderen Städten üblich ist (Leasehold property), winken Deutsche zu recht bei Erbpacht Immobilien meist ab. Wenn man ehrlich ist, braucht Erbpacht in dieser Form keiner. Erbpacht wurde ursprünglich eingeführt, damit sich Familien günstige Grundstücke für ein Haus leisten konnten, die oft z.B. von der Kirche zu einem günstigen monatlichen Erbpachtzins an die Eigenheimbauer überlassen wurde - ohne die Grundstückskosten ist ein Haus natürlich wesentlich günstiger und Kirchen, die in sehr langen Zeiträumen denken, verlieren ihre Grundstücke nicht. Sobald aber Erbpacht Immobilien fast so teuer sind wie normale Immobilien, macht Erbpacht überhaupt keinen Sinn mehr.

Gerade bei Immobilien in München basieren die Wertsteigerungen fast ausschliesslich auf den steigenden Preisen von knappem Bauland und mangelnden Grundstücken - besonders in Innenstadtlage - das Gebäude interessiert dabei nicht, außer es handelt sich um ein besonderes historisches Gebäude mit "Sammlerwert" und möglichen steuerlichen Vorzügen bei der Instandhaltung.

Ein weiterer Hacken ist: die monatlichen Erbpachtzinsen sind fehlende Liquidität. 150 Euro Erbpacht im Monat sind mindestens 270,000 Euro in 150 Jahren - falls der Erbpachtzins nicht angehoben wird. Die genaue Rechnung ist schwer, aber sicherlich wird die Erbpacht in 50 Jahren locker 500 Euro im Monat betragen und in 100 Jahren eventuell sogar 1000 Euro - denn man darf die Inflation nicht unterschätzen.

D.h. bei dieser Immobilie hat man auf 150 Jahre gerechnet einen "Verlust" von 270,000 Euro + 50% vom Kaufpreis (ohne Inflation). Also ein Nachteil von 182,500 Euro + 270,000 Euro auf 2-3 Generationen verteilt. Der Gesamtverlust ist höher als der Kaufpreis der Immobilie - während eine normale Immobilie in 150 Jahren sicherlich das 10-fache Wert ist - oder mehr.

Meine Meinung dazu: Entweder eine Wohnung mieten oder eine richtige Wohnung kaufen. Das Grundstück mieten und das Gebäude darauf kaufen ist keine(!) Kapitalanlage.

Das Vererben über mehrere Generationen lohnt sich eine solche Immobilie nicht, da sich die Immobilie  früher oder später mit einer minimalen (oder keinen) Entschädigung in Luft auflöst.

Bei einer Restlaufzeit von 10 Jahren würde ich meistens als Kaufpreis nur noch die Vergleichsmiete der 10 Jahre annehmen - abzüglich der Erbpachtzinsen und der nicht-umlegbaren Nebenkosten.

Auch wenn der Kaufpreis verlockend klingt, würde ich bei der obigen Immobilie die Finger davon lassen - selbst bei 200,000 Euro Kaufpreis. Lieber das Geld auf ein Tagesgeldkonto legen und eine Wohnung mieten - dann zahlt man zumindest ca. 300 Euro weniger Nebenkosten in Monat.

Ich kann nur davon abraten -und hoffe auf die Vernunft potentieller Käufer, dass die Unsitte der Erbpacht Immobilien in Deutschland auch nicht weiter Einzug erhält.

Gute Links zum Thema Erbpacht:


2 Kommentare:

  1. Erbpacht wiederspricht irgendwie dem Grundgedanken des Eigentumes.
    Der Grund und Boden muss "gemietet" werden, nur das Objekt darauf gehört einem selbst.

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  2. Ich nehme gar keine Aufträge an, wenn es sich um Erbpacht handelt. Die Immobilien lassen sich nur sehr schwer verkaufen. Meine Ansicht nach gibt es auch genug Alternativen.
    Nicolas Vilela
    http://www.grundbuchblog.de

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